Künstliche Intelligenz als Treiber und Unterstützer von M&A

Kommentar

Dr. Michael R. Drill, Lincoln Inter­national AG
Dr. Michael R. Drill, Lincoln Inter­national AG

Bildnachweis: Lincoln Inter­national AG.

In den letzten zwei Jahren hat die KI-Welle dem allgemein abflauenden M&A-Geschehen deutlich positive Impulse verliehen. Während in Old Economy-Branchen nur wenige Deals zu vermelden waren, wurden in den USA und in China reihenweise Unternehmen gekauft, die Systeme mit selbstlernenden Algorithmen entwickeln oder nutzen.

Vor allem die Magnificent Seven fielen durch solche Akquisitionen auf. Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia and Tesla haben Milliarden an Dollar in KI investiert, um ihr Produkt- und Serviceportfolio zukunftsweisend auszurichten – und im laufenden Jahr setzt unter anderen HPE ebenfalls verstärkt auf KI und übernimmt Juniper Networks für 14 Mrd. USD, um das traditionelle Kerngeschäft mit neuen Netzwerkanwendungen zu stärken. Hierzulande haben Unternehmen wie SAP oder Bechtle in den letzten Monaten ebenfalls KI-Firmen übernommen. Das Thema KI beschäftigt aber nicht nur den Software- und IT-Sektor, sondern ist auch für andere Branchen von großer Relevanz. So hat etwa das Heidelberger KI-Start-up Aleph Alpha Ende 2023 mehr als 500 Mio. EUR von illustren Investoren – unter anderem Bosch und Handelskonzern Schwarz-Gruppe – eingesammelt. Aleph Alpha entwickelt große Sprachmodelle, ähnlich wie das kalifornische Start-up OpenAI mit ChatGPT. Damit hat sich das Unternehmen als Deutschlands führender Entwickler von generativer KI für Anwendungsfälle in der öffentlichen Verwaltung und in der Industrie spezialisiert.

Vielversprechende Anwendungsmöglichkeiten

Auch im Bereich von M&A-Transaktionen bieten sich für KI-Lösungen vielversprechende Anwendungsmöglichkeiten, die zu einer spürbaren Effizienzsteigerung sowohl auf der Sell Side als auch auf der Buy Side führen können. Der Nutzen moderner Technologien wie Machine Learning, Big Data und Artificial Intelligence wird von der M&A-Beratungsindustrie vermehrt erkannt. Mit KI lassen sich, wenn sinnvoll und richtig eingesetzt, M&A-Prozesse beschleunigen, Kosten sparen und Fehler vermeiden.

Due Diligence: Großer Zeit- und Kostenfaktor

Einer der größten Kosten- und Zeitfaktoren bei M&A-Prozessen ist die Due Diligence, bei der große Beraterteams zahlreiche Unterlagen des Zielunternehmens sichten und prüfen. Mit KI lassen sich die hinterlegten Dokumente automatisiert auf mögliche Themen und Risiken analysieren. KI kann aber nicht nur Daten filtern und Texte in verschiedensten Sprachen lesen, sondern diese auch in neuen Dokumenten zusammenfassen, Textteile schwärzen oder ganze Analysen erstellen. Gewisse Tätigkeiten, die bislang meist von M&A-Analysten, Wirtschaftsprüfern und Anwälten erledigt wurden, können teilautomatisiert werden.

Fazit

Eines ist aber ganz klar: KI wird auch in der Zukunft des M&A-Geschäfts den Berater nie ganz ersetzen, sondern nur unterstützen können. Dies gilt insbesondere für das Berufsbild des Investmentbankers, der für das Zustandekommen einer Transaktion einen erfolgreichen M&A-Deal zwischen den Parteien moderieren und mit großer emotionaler Intelligenz eine Win-win-Situation zwischen Verkäufer- und Käuferseite herbeiführen muss. Erfolgreiche M&A-Beratung wird künftig stets eine richtige Kombination Mensch und KI erfordern.

Über den Autor:

Dr. Michael R. Drill ist Deutschlandchef von Lincoln International, einer auf M&A-Beratung spezialisierten Investmentbank mit weltweit über 1.000 Mitarbeitern. Lincoln International verfügt über eigene Büros in den zehn größten Volkswirtschaften der Welt.