Bildnachweis: Osborne Clarke.
ESG ist in aller Munde. Ein wesentlicher Baustein des „G“ – der Governance – stellt in zahlreichen Start-ups der Beirat oder Aufsichtsrat als Bindeglied zwischen Investoren und Start-up dar. Wie kann so ein „Board“ aussehen, um hilfreich zu sein? Welche Erscheinungsformen gibt es, und ist gute Governance verallgemeinerbar?
Die Einrichtung eines Boards, meist in Form eines Beirats, ist in fremdfinanzierten deutschen Start-ups mittlerweile Marktstandard und Teil der üblichen Governance-Struktur. Ausgestaltung, Anforderungen und Zusammensetzung des Boards hängen dabei insbesondere vom Lebenszyklus des Start-ups ab. Während zu Anfang oft noch die Gründer das Board kontrollieren und die frühen Investoren vor allem Beratung, Netzwerk und eigene Erfahrungen über das Board einbringen, verändern sich mit zunehmender Reife die Machtverhältnisse und Bedürfnisse von Start-up und Investoren. Professionalisierung der Governance, Risikomanagement und IPO Readiness spielen dann eine zunehmende Rolle.
Funktionen und Grundfragen der Ausgestaltung
Die wesentlichen Funktionen eines Boards sind dabei über die verschiedenen Entwicklungsstadien und Gestaltungsformen hinweg gleich: Kontrolle, Kanalisierung von Informationen und Beratung der Geschäftsführung. Auch die Grundfragen der Ausgestaltung sind in jedem Stadium ähnlich: Welche Größe ist ideal, welche Kompetenzen sollten die Mitglieder mitbringen und wie schaffe ich es, diverse Perspektiven und Machtansprüche zu berücksichtigen und gemeinsam zum Erfolg zu führen? Ob ein konkretes Board als hilfreich wahrgenommen wird, ist zudem eine Frage der Perspektive.
Die Sicht des Investors
Für Investoren stellt eine Mitgliedschaft im Beirat ein Instrument zum Schutz und zur Förderung ihrer Investition dar. Beiratsmitglieder sind kontinuierlich näher dran an Geschäftsführung und Unternehmen. Im Optimalfall (aus Sicht des Investors) kann der Beirat schon frühzeitig Einfluss auf das Budget und die strategische Ausrichtung des Start-ups nehmen. Risiken für das eigene Investment lassen sich so reduzieren. Oftmals bestehen aber auch der Wunsch und Anspruch, über die Rolle im Beirat einen Mehrwert für das Start-up – und damit auch für das eigene Investment – zu schaffen. Zugang zu Expertise, Netzwerk und Unterstützung beim weiteren Fundraising helfen dem Start-up, steigern aber gleichzeitig auch den Wert des getätigten Investments. Optimalerweise eine Win-win-Situation.
Die Start-up-Perspektive
Gründer haben oft eine komplexere Beziehung zu ihrem Board. Soweit das Board sich mit Expertise und Zugang zum eigenen Netzwerk einbringt, unterstützt es zwar die langfristige Entwicklung und das Erreichen der Ziele des Start-ups, was ebenfalls im Interesse der Gründer ist. Die Einrichtung eines Boards bedeutet aber auch Kontrollverlust, da wichtige Entscheidungen und die strategische Ausrichtung dann häufig nicht mehr im alleinigen Ermessen der Gründer liegen. Informationserteilung, Vorabbefassung des Boards und Aufsetzen entsprechender Prozesse erzeugen zudem Red Tape und können die Agilität hemmen. Zudem arbeiten die Gründer, wenn sie Investoren an Bord holen, mit fremdem Geld; dies bringt neben der Verantwortung für Unternehmen, Produkte und Mitarbeitende auch Verantwortung für dieses Investment mit sich.
Rechtliche Ausgestaltung des Beirats der GmbH
Rechtlich gesehen, ist ein „Board“ meist ein Beirat oder fakultativer Aufsichtsrat einer GmbH. Sowohl für den Beirat als auch für den fakultativen Aufsichtsrat ist in der Ausgestaltung vieles denkbar, da das Recht der GmbH ein hohes Maß an Flexibilität und einiges an Gestaltungsspielraum bietet. Neben einer beratenden Funktion kann der Beirat auch eine überwachende, organschaftliche Funktion haben. Geht die Funktion des Beirats über reine Beratung hinaus und werden sogar Kompetenzen der Gesellschafterversammlung auf den Beirat übertragen, bedarf die Einrichtung des Beirats einer Verankerung in der Satzung. Üblicherweise werden aber auch in einer Gesellschaftervereinbarung oder Geschäftsordnung für den Beirat Regelungen für die Besetzung, Zustimmungsvorbehalte und Informationsrechte vereinbart.
Persönliche Haftung
Aus Sicht des konkreten Beiratsmitglieds ist zu beachten, dass eine Beiratsposition auch persönliche Haftung nach sich ziehen kann. Nicht nur Mitglieder von Aufsichtsräten, sondern auch Beiratsmitglieder können sich schadensersatzpflichtig machen, wenn sie ihrer Rolle nicht gerecht werden. Je umfangreicher dabei die Aufgaben des Beirats, desto größer eine potenzielle Haftung.
Rolle der Board Member nach Formwechsel in AG oder dualistische SE
Zahlreiche Beweggründe sprechen dafür, den Weg in die AG oder SE zu gehen, insbesondere zur Gestaltung der Mitbestimmung oder zur Vorbereitung eines Börsengangs. Selten wird dabei aber bedacht, dass der Formwechsel auch Konsequenzen für das Board Membership der Investoren hat. Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft und dualistischen Societas Europaea (SE) ist ein zwingendes Organ mit klarem Aufgabenzuschnitt. Das Aktienrecht ist deutlich weniger flexibel, was die Zuordnung bestimmter Aufgaben zum Aufsichtsrat betrifft. Mitglieder des Aufsichtsrats unterliegen zudem einer strengen Verschwiegenheitspflicht – auch gegenüber den „entsendenden“ Investoren – und müssen ausschließlich im Interesse des Unternehmens, nicht aber im Interesse eines spezifischen Aktionärs handeln. Zusätzlich lässt das Aktienrecht echte Entsendungsrechte nur für ein Drittel der Aufsichtsratsposten zu. Zwar wird auch bei AGs und SEs üblicherweise eine Aktionärsvereinbarung geschlossen. Die Regelungsspielräume neben dem zwingenden Aktienrecht sind allerdings deutlich beschränkt. Nichtsdestotrotz lassen sich viele Governance-Elemente aus der Start-up-GmbH über Umwege auch für die Startup-AG umsetzen. Stimmbindungsvereinbarungen zwischen den Aktionären ermöglichen es etwa, eine einvernehmliche Besetzung des Aufsichtsrats sicherzustellen.
Verwaltungsratsmitglieder der monistischen SE
Eine noch stärkere Ausprägung der Verantwortungsübernahme ist die Übernahme eines Sitzes im Verwaltungsrat einer monistischen SE. Der Verwaltungsrat überwacht zwar, wie ein Aufsichtsrat, die geschäftsführenden Direktoren – er leitet aber auch die Gesellschaft und bestimmt die Grundlinien ihrer Tätigkeit. Entsprechend dem Grundsatz – mehr Verantwortung bedeutet auch mehr potenzielle persönliche Haftung – steht daher der Posten als Mitglied des Verwaltungsrats einer monistischen SE an der Spitze der Einflussnahme, aber auch der potenziellen persönlichen Haftung. Besondere Bedeutung hat daher der Abschluss einer entsprechenden D&O-Versicherung. Den Abschluss einer solchen Versicherung durch die Gesellschaft sollten Investoren frühzeitig für ihre „entsandten“ Beirats- und Aufsichtsratsmitglieder anstreben.
IPO Readiness
Strebt das Start-up dann tatsächlich einen Exit in Form eines IPOs an, hat dies naturgemäß weitreichende Folgen für die Governance des Unternehmens und des Aufsichtsrats. Zunehmend wichtiger werden dann unabhängige Organmitglieder und solche mit spezifischen Kenntnissen, die den Übergang zur und die Unternehmensführung in der börsennotierten Gesellschaft erleichtern. Auch die Organisation des Aufsichtsrats professionalisiert sich dann weiter: Ausschüsse werden eingerichtet, Kompetenzprofile erstellt und die Besetzung insgesamt noch einmal auf den Prüfstand gestellt. Sobald das Unternehmen börsennotiert ist, bestehen zahlreiche zusätzliche Governance-Anforderungen. Dies sollte dann niemanden mehr überraschen – gute Vorbereitung und Herstellen der IPO Readiness auch im Aufsichtsrat sind folglich essenziell.
Über die Autorin:
Dr. Karen Frehmel-Kück ist Rechtsanwältin und Counsel bei Osborne Clarke PartmbB. Sie berät Unternehmen und Startups in der Rechtsform der AG oder SE sowie beim Formwechsel in diese.