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Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Onlineenzyklopädie Wikipedia hat eine hervorragende Reichweite, sie verfügt grundsätzlich über eine hohe Glaubwürdigkeit, die sie auch verleiht, und – noch besser aus Start-up-Sicht – sie lässt sich ohne Kosten bespielen. Dennoch ist eher Zurückhaltung gefragt.
Ein grundlegendes Verständnisproblem bezüglich Wikipedia offenbart, wer ein „Profil“ oder einen „Eintrag“ anlegen möchte. Während auf anderen, kommerziellen Plattformen eine vorteilhafte Sichtbarkeit gegen Geld erkauft werden kann, wacht hier eine Gemeinschaft freiwilliger Autoren darüber, was ein neutraler Artikel und was überhaupt enzyklopädisch relevant ist. Dabei weichen die Vorstellungen dieser Community teilweise sehr deutlich von dem ab, was Mitarbeitende von Unternehmen oder Agenturen in ihrer Marketing- oder PR-Denke für angemessen halten. Das führt zu Frustration auf beiden Seiten, weil die einen tatsächliche oder vermeintliche Werbefloskeln nicht mehr sehen können und die anderen oft den Grund für die Ablehnung nicht verstehen.
Inhaltliche Schranken
Technische Einstiegshürden, das eigene Unternehmen und dessen innovative Geschäftsidee zu platzieren, bestehen nicht. Jeder kann Artikel bearbeiten und neue anlegen, sogar ohne Anmeldung (auch wenn Autoren aus Unternehmen unter anderem ihre Betriebszugehörigkeit offenlegen müssen). Die inhaltlichen Schranken sind dagegen selten bekannt. Einmal auf den relativ bürokratischen Katalog der „Relevanzkriterien“ hingewiesen, reklamieren Start-ups üblicherweise weiche Faktoren wie „innovative Vorreiterrolle“ oder Marktführerschaft für sich. Damit beißen sie bei der Community allerdings meist auf Granit – fehlt es jungen Unternehmen doch naturgemäß an Nachahmern und gilt doch die Marktführerschaft in einer selbst geschnitzten Nische als irrelevant. Auch errungene Awards wie der Deutsche Gründerpreis oder vereinzelte Medienberichte ziehen selten als Argument. Schnell kassieren solche Artikel – wie McMakler Ende 2019 mit der Begründung „Start-up-Spam“ – Löschanträge, die üblicherweise von den Administratoren wegen „zweifelsfreier Irrelevanz“ oder „Werbung“ sofort oder nach ein paar Tagen Diskussion umgesetzt werden.
Negative Konsequenzen …
Vollends falsch ist es, einen quasi unveränderten Artikel umgehend noch einmal einzustellen. Sinnvoll hingegen ist es, vorab im sogenannten Relevanzcheck die Chancen zu erörtern – und sich an das Feedback zu halten. Wurde ein Artikel bereits gelöscht, ist dieser Weg jedoch versperrt. Im Rahmen einer Löschprüfung wiederum lässt sich eine administrative Entscheidung noch einmal diskutieren. Hier sollten die Argumente allerdings neu und besser sein. Wie man es richtig falsch macht, hat das 2011 gegründete Imbissfranchise WonderWaffel demonstriert: Dessen imposante Reihe unterschiedlicher Anfragen in überschaubarer Zeit wurde als „Selbstzerfleischungstendenz“ interpretiert und der Firmenname für neue Versuche gesperrt.
… und Optionen
Wer trotzdem seinen Weg in die deutschsprachige Wikipedia finden möchte, sollte daher klein anfangen. Gibt es von den Medien aufgegriffene News, etwa den Sieg in einem bestimmten Businessplan-Wettbewerb wie Science4Life oder dem MBPW? Oder die Kooperation mit einem etablierten Mittelständler, der bereits einen Artikel hat? Dann lassen sich diese Fakten – ohne Marketinggeklingel – entsprechend einbauen. Sofern vorhanden, lassen sich auch passende Listen ausbauen. Weitergedacht bestehen Möglichkeiten in den Schwesterprojekten Wikidata und Wikimedia Commons, die sich allerdings konzeptionell deutlich unterscheiden. Wenn auch das nicht hilft, ist Zurückhaltung die beste Option, bis sich zu einem späteren Zeitpunkt ein Ansatz ergibt, ohne die Community gegen sich aufzubringen.
Zum Autor:
Torsten Passmann ist Journalist und Kommunikationsberater. Seine Expertise hat er unter anderem als PR- und IRManager der Berentzen-Gruppe aufgebaut. Unter paid-editing.de führt er einen Blog, der sich mit Unternehmen, Agenturen und Selbstdarstellern in Wikipedia beschäftigt.