Wertvolles Mitarbeiterinstrument im War for Talents

Virtuelle Mitarbeiterbeteiligung

Stephan R. Göthel, Sebastian Frech (Görg)
Stephan R. Göthel, Sebastian Frech (Görg)

Bildnachweis: Görg, VentureCapital Magazin, Pexels.

Das Thema Mitarbeiterbeteiligung spielt insbesondere für Start-ups und Wachstumsunternehmen eine wichtige Rolle. Gerade in der Frühphase eines Unternehmens ist die langfristige Bindung und Motivation talentierter Mitarbeitender herausfordernd, da die finanziellen Mittel für hohe Gehälter fehlen. Die Mitarbeiterbeteiligung ist dann ein wichtiger Hebel, um im Wettbewerb um Talente („War for Talents“) erfolgreich zu sein.

Das bevorzugte alternative Modell für deutsche Start-ups zu echten Beteiligungen oder Beteiligungsoptionen (Employee Stock Option Plan; ESOP) sind virtuelle Beteiligungen (Virtual Stock Option Plan (VSOP) oder Phantom Stocks). Hier haben sich mittlerweile Standards herausgebildet, mit denen die Praxis sehr gut umgehen kann.

Funktionsweise

Im Kern gewähren virtuelle Beteiligungen den Mitarbeitenden einen wirtschaftlichen Anreiz und Vorteil, der dem einer Beteiligung mit echten Gesellschaftsanteilen nahekommt. Der Mitarbeitende wird jedoch kein echter Gesellschafter, sondern nur wirtschaftlich einem solchen gleichgestellt. Dies bedeutet, dass der Mitarbeitende bei einem Exit (zum Beispiel einem Verkauf des Unternehmens oder einem Börsengang) wirtschaftlich so gestellt wird, als hätte er eine bestimmte Anzahl an echten Gesellschaftsanteilen gehalten.

Vesting-Periode beeinflusst Erlös

Die Umsetzung einer virtuellen Beteiligung erfolgt durch einen Vertrag zwischen der Gesellschaft und dem Mitarbeitenden, der regelmäßig durch ein sogenanntes Zuteilungsschreiben zustande kommt, das wiederum auf die vom Gesellschafterkreis beschlossenen VSOPBedingungen verweist. Danach erhält der Mitarbeitende einen vertraglichen Zahlungsanspruch gegen die Gesellschaft, wenn ein Exit eingetreten ist. Dieser Anspruch ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft und stellt den Mitarbeitenden auf eine Erlösstufe mit den Gründern. Wie bei sämtlichen Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen üblich, ist der vollständige Anspruch auf einen Exit-Erlös daran geknüpft, dass der Mitarbeitende für einen näher definierten Zeitraum für die Gesellschaft tätig gewesen ist (sogenannte Vesting-Periode). Die Vesting-Periode hat üblicherweise eine Laufzeit zwischen drei und fünf Jahren. Hat der Mitarbeitende das Unternehmen früher verlassen, verkürzt sich ein etwaiger Exit-Erlös entsprechend. Im Fall eines sogenannten Bad Leaver Events (etwa Kündigung aus wichtigem Grund) entfällt der Anspruch auf den Exit-Erlös regelmäßig vollständig. Gleiches gilt, wenn der Mitarbeitende das Unternehmen sehr kurzfristig nach dem Erhalt der virtuellen Beteiligung verlässt (häufig sechs bis zwölf Monate, sogenannte Cliff-Periode).

Beteiligung an Wertsteigerungen

Der Mitarbeitende wird nicht verpflichtet, für die virtuelle Beteiligung einen Kaufpreis zu zahlen. Allerdings wird regelmäßig ein sogenannter Strike oder Base Price vereinbart, der den Wert des Unternehmens und damit der virtuellen Beteiligung, den diese im Zeitpunkt der Zuteilung an den Mitarbeitenden hat, widerspiegelt und entsprechend von einem späteren Exit-Erlös zum Abzug gebracht wird. Der Grundgedanke hierbei ist, Mitarbeitende nur an der künftigen Wertsteigerung (ab Eintritt in das Unternehmen) zu beteiligen.

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Vorteile

Die Beliebtheit des VSOP gründet sich auf einer Reihe von Vorteilen gegenüber einer echten Beteiligung, sowohl für das jeweilige Unternehmen als auch für die Mitarbeitenden.

  • Geringer Dokumentations- und Umsetzungsaufwand, schnelle Umsetzung: Im Gegensatz zu echten Anteilsprogrammen müssen keine Gesellschaftsanteile (zum Beispiel Geschäftsanteile bei einer GmbH oder Aktien bei einer AG) im Wege einer Kapitalerhöhung geschaffen und ausgegeben oder sonst übertragen werden. Damit entfallen auch Änderungen im Handelsregister, in der Satzung oder in der Gesellschaftervereinbarung oder sonstigen Beteiligungsdokumentation. Dies sorgt insgesamt auch für eine schnellere Umsetzung.
  • Geringere Kosten: Durch den geringeren Dokumentations- und Umsetzungsaufwand sinken naturgemäß auch die Beraterkosten. Notarkosten entfallen vollständig, weil die Verträge über virtuelle Beteiligungen nicht beurkundungspflichtig sind.
  • Keine echte (sondern nur finanzielle) Gesellschafterstellung: Durch eine virtuelle Beteiligung erhält der Mitarbeitende keine echte Gesellschafterstellung. Hierbei geht es insbesondere um diejenigen Rechte von Gesellschaftern, die sich nicht ausschließen lassen. So lassen sich beispielsweise bei der GmbH zwar die Stimmrechte ausschließen, nicht jedoch das Recht eines Gesellschafters auf Teilnahme an einer Gesellschafterversammlung sowie das weitreichende Auskunfts- und Einsichtsrecht gegenüber der GmbH. Zugegebenermaßen wäre es schon eine groteske Situation, wenn ein Mitarbeitender von der Geschäftsführung des Start-ups weitgehende Einsicht oder Auskunft über Geschäftsvorgänge verlangen könnte, was bei einer echten GmbH-Beteiligung der Fall wäre.
  • Kein Dry Income-Risiko: Bei der Beteiligung von Mitarbeitenden mit echten Gesellschaftsanteilen liegt bereits in der Gewährung der Anteile ein geldwerter Vorteil, der schon zu diesem Zeitpunkt Steuern auslösen kann, die den Mitarbeitenden mit Lohnsteuern auf nicht realisierte Gewinne belastet. Dieses Risiko einer Steuerlast, ohne dass liquide Mittel zur Verfügung stehen (sogenanntes Dry Income), besteht bei der Gewährung virtueller Mitarbeiterbeteiligungen nicht.
  • Internationale Akzeptanz: Ausländische Investoren kennen das Konzept der virtuellen Mitarbeiterbeteiligung, selbst wenn nach ihrem lokalen Recht möglicherweise echte Mitarbeiterbeteiligungen vorherrschend sind. Dagegen sind Alternativen, auch zu echten Mitarbeiterbeteiligungen, beispielsweise stille Beteiligungen, weniger bekannt und daher weniger akzeptiert. Dies kann dann zu der Forderung eines ausländischen Investors führen, das Mitarbeiterbeteiligungsprogramm neu aufzusetzen.

Nachteile

Obwohl einer der vielen Vorteile des VSOP-Modells steuerlicher Natur ist (kein Dry Income-Risiko), liegt sein hauptsächlicher Nachteil gerade hier begründet – konkret nämlich darin, dass die Erlöse aus virtuellen Beteiligungen mit rund 45% oder mehr besteuert werden. Denn die Auszahlung der virtuellen Anteile wird in der Regel als Arbeitslohn betrachtet und unterliegt somit der Einkommensteuer zum persönlichen Steuersatz sowie Sozialabgaben. Im Gegensatz zu echten Anteilen, die als Kapitalerträge mit rund 25% (zuzüglich Solidaritätszuschlag) besteuert werden, führt dies zu einer höheren Steuerlast.

Virtuelle Programme international unbeliebt

Doch nicht nur aufgrund des Steuersatznachteils suchen Unternehmen immer wieder nach Alternativen zu virtuellen Beteiligungen. Insbesondere im War for Talents schneiden virtuelle Programme in der Gunst von Führungskräften schlecht ab, da sie vor allem im internationalen Kontext nicht als vollwertige Alternative zur echten Beteiligung wahrgenommen werden. Hier kann jedoch eine gute Kommunikation des jeweiligen Programms sicherlich Abhilfe schaffen.

Genussrechte

Ein aktueller Weiterentwicklungsansatz für Mitarbeiterbeteiligungen ist die Strukturierung über eigenkapitalähnliche Genussrechte. Bei Nutzung der durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz zum 1. Januar 2024 reformierten Vorschrift des § 19a EStG können Genussrechte die zuvor genannten steuerlichen Vorteile geschickt kombinieren, sodass kein Dry Income entsteht und die Wertsteigerungen der Beteiligung dennoch als Kapitalertrag und damit vergünstigt besteuert werden. Als Nachteil verbleibt allerdings, dass sich für Mitarbeiterbeteiligungen über Genussrechte noch kein Standard herausgebildet hat und das Instrument auch international nicht wirklich verbreitet ist.

Fazit

Das VSOP-Modell bietet gerade für junge Start-ups eine flexible, einfache und vor allem kostengünstige Möglichkeit, Mitarbeitende am Erfolg zu beteiligen und langfristig zu binden. Trotz einiger Nachteile, insbesondere in Bezug auf die steuerliche Behandlung, hat sich das VSOP-Modell als wertvolles Instrument der Mitarbeitergewinnung etabliert. Mit eigenkapitalähnlichen Genussrechten gibt es eine attraktive Alternative. Aufgrund des einmalig etwas höheren Aufwands, insbesondere für die Abstimmung mit der Finanzverwaltung, dürften Genussrechte aber eher für Scale-ups infrage kommen.

Über die Autoren:

Sebastian Frech aus München und Prof. Dr. Stephan R. Göthel aus Hamburg sind Rechtsanwälte und Partner bei der Wirtschaftskanzlei Görg. Sie beraten Unternehmen, Gründer und Investoren in den Bereichen M&A, Private Equity, Venture Capital und Gesellschaftsrecht.

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