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Der Fondsstandort Deutschland konnte in diesem Jahr dank regulatorischer Verbesserungen im europaweiten Vergleich aufholen – aber reicht das aus, um eine Strukturierung hierzulande gegenüber anderen Standorten zu bevorzugen? Frank Dornseifer, Geschäftsführer des Bundesverbands Alternative Investments, und Dr. Jens Steinmüller, Partner bei der Kanzlei Poellath, geben Antworten.
VC Magazin: Was zeichnet Deutschland als Standort für Private Equity- und Venture Capital-Fonds im internationalen Vergleich aus?
Steinmüller: Deutschland ist an sich ein natürlicher Standort, um Kapitalgeber und zu finanzierende Unternehmen zusammenzubringen. Der Bedarf an Kapital für Wachstum und Innovation ist enorm. Gleichzeitig sind Anlagen in Unternehmensfinanzierungen längst ein fester und wichtiger Baustein in der Kapitalanlage deutscher institutioneller Anleger.
Dornseifer: Unser jüngster BAI Investor Survey zeigt wieder einmal, dass Private Equity eine der beliebtesten Anlageklassen im institutionellen Portfolio ist. Und die Mehrheit der Investoren gibt an, dass die Allokation durchaus weiter ausgebaut werden soll. Auch Venture
Capital rückt zunehmend in den Fokus deutscher Investoren.
VC Magazin: Wie beurteilen Sie die regulatorischen Rahmenbedingungen im Vergleich zu anderen europäischen Standorten wie Luxemburg, Irland oder den Kanalinseln?
Steinmüller: Deutschland hat in den vergangenen Jahren aufgeholt, was die regulatorischen
Rahmenbedingungen für Fonds angeht. Ein Beispiel für die Erweiterung der deutschen Toolbox für Investmentfonds ist die Einführung der geschlossenen Sondervermögen nach § 285 Kapitalanlagegesetzbuch durch das Fondsstandortgesetz. Nicht nur das regulatorische, auch das steuerliche Umfeld hat sich jedenfalls zum Teil den Standards angenähert, die an anderen Fondsstandorten gelten. In dieser Hinsicht hat die Erweiterung der Umsatzsteuerbefreiung der Verwaltung von Investmentvermögen auf alle Arten von alternativen Investmentfonds zum 1. Januar 2024 den Standort ein gutes Stück weitergebracht.
Dornseifer: Mit dem Fondsmarktstärkungsgesetz, dem Zukunftsfinanzierungsgesetz II und dem Betriebsrentenstärkungsgesetz II sollten weitere wichtige Maßnahmen zur Stärkung der deutschen Branche auf den Weg gebracht werden. Leider ist es hier durch den Bruch der Ampelkoalition zu einem Stillstand gekommen. Das ist fatal, und wir müssen hoffen, dass eine neue Bundesregierung im nächsten Jahr diese Themen unmittelbar wieder aufgreift. In der Sache bestand ja durchaus ein parteiübergreifender Konsens.
VC Magazin: Welche Trends sehen Sie aktuell bei der Wahl des Fondsstandorts?
Steinmüller: Für Manager wie Anleger sind ein verlässliches regulatorisches und steuerliches Umfeld sowie handhabbare Compliance-Anforderungen wichtig. Ein breites Spektrum von Produktmöglichkeiten ist insoweit natürlich attraktiver als ein strenger Katalog von Fondstypen mit engen Vorgaben hinsichtlich erwerbbarer Vermögensgegenstände sowie
Diversifikations- und Streuungsvorgaben. Auf der steuerlichen Seite besteht an sich ein
weltweiter Konsens, dass das Vermitteln von Anlagemöglichkeiten über Fonds steuerneutral
sein, also der Umstand, dass über einen Fonds investiert wird, nicht zu einer zusätzlichen Steuerbelastung führen sollte. Hiermit geht die Anforderung internationaler Investoren einher, nicht allein aufgrund einer Fondsbeteiligung an dem Fondsstandort steuererklärungspflichtig zu werden.
Dornseifer: Eine gute Infrastruktur ist für Fondsgesellschaften natürlich auch von entscheidender Bedeutung. Welche Dienstleister habe ich vor Ort, wie effizient erfolgt der Austausch mit der Aufsicht, wie innovativ ist die Regulatorik beziehungsweise der Standort (Digitalisierung, Tokenisierung, Einsatz von KI) et cetera. Das sind wichtige Fragen, die auch bei der Wahl des Fondsstandorts relevant sind.
VC Magazin: Welche Rolle spielt die politische und wirtschaftliche Stabilität Deutschlands als Standort für Private Equity-Investitionen?
Dornseifer: Assetmanager und Investoren wollen nicht nur verlässliche und wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen, sie investieren vor allem auch gern in dynamischen Wachstumsmärkten. Diese Dynamik finden sie in Deutschland aktuell aber nicht. Wir müssen dringend das Ökosystem für Start-ups verbessern, und dann brauchen wir einen Wachstumsschub für die gesamte Volkswirtschaft.
VC Magazin: Sie stehen im direkten Austausch mit den Fondsinitiatoren. Wie schwierig gestaltet sich das Fundraising, was sind die Knackpunkte?
Dornseifer: Das Fundraising in Deutschland war in diesem und dem letzten Jahr im Bereich eher verhalten, auch wenn es Ausnahmen gibt, denn viele Investoren wissen, dass sie über Vintages hinweg investieren müssen. Dann fehlten auch die Exits, die für Investoren Voraussetzung für Neuinvestments sind. Unser Investor Survey zeigt nun, dass es im kommenden Jahr wieder aufwärtsgehen soll.
VC Magazin: Wie ist die Stimmung in den Bereichen Debt, Secondaries oder Infrastruktur?
Steinmüller: Die Bundesregierung hat in der laufenden Legislaturperiode eine ganze Reihe von Initiativen auf den Weg gebracht, die dem Ziel dienen, privates Beteiligungskapital in dringend benötigte Investitionen in Wachstum, Innovation und Infrastruktur zu lenken. Dazu gehört beispielsweise der erst jüngst verabschiedete Regierungsentwurf des Zweiten Zukunftsfinanzierungsgesetzes, der unter anderem eine Erweiterung der Möglichkeiten von Spezialfonds vorsieht, Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien zu tätigen und entsprechende Anlagen zu betreiben. Auch würde es bei einer Umsetzung des Entwurfs für steuerlich semitransparente Spezial-Investmentfonds einfacher werden, in geschlossene Fonds zu investieren.
Dornseifer: Hier zeigt unser Investor Survey, dass Private Debt und Infrastruktur mindestens so beliebt sind wie Private Equity. Beide Assetklassen haben unterschiedliche Rendite-Risiko-Profile und sind eine optimale Portfolioergänzung. Für die nachhaltige Transformation benötigen wir Infrastrukturinvestments; Private Debt bietet neue Möglichkeiten der Unternehmensfinanzierung. Und natürlich nutzen Investoren immer stärker Secondaries und Co-Investments.
VC Magazin: Wie lauten Ihre Ratschläge an eine neue Bundesregierung?
Steinmüller: Der Regierungsentwurf des Zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetzes sieht Erleichterungen für alternative Anlagen von Pensionskassen vor – etwa durch die Einführung einer neuen Infrastrukturquote, aber auch durch die Erweiterung regulatorischer Quoten, die für Anlagen in alternative Investments von Bedeutung sind. Ob das Gesetz noch während der zu Ende gehenden Legislaturperiode kommen kann, ist ungewiss. In jedem Fall wäre es aber wünschenswert, wenn die künftige Bundesregierung diesen wichtigen Ansatz wieder aufgreifen würde. Zudem sollte die neue Regierung ein wettbewerbsfähiges steuerliches Umfeld für deutsche Fonds schaffen. Das erfordert einen rechtssicheren Rahmen für gewerbesteuerneutrale Fonds ohne Steuererklärungspflichten für Steuerausländer.
Dornseifer: Das kann ich nur unterstreichen. Die neue Bundesregierung muss schnell und entschlossen handeln. Gleiches gilt allerdings auch für die neue EU-Kommission, die jetzt ja konstituiert ist. Nachdem die Kapitalmarktunion über Jahre eher vor sich hingedümpelt ist, muss das Projekt Savings and Investments Union mit Hochdruck und klugen Ideen vorangetrieben werden.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Über die Interviewpartner:
Dr. Jens Steinmüller ist Partner in der Private Funds-Abteilung bei Poellath in Berlin. Sein Beratungsschwerpunkt liegt auf der Konzeption und Umsetzung umfassender Investmentlösungen für Investoren in alternative Investmentfonds (Assetmanagement). Er ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen und ein gefragter Referent in den entsprechenden Fachbereichen.
Frank Dornseifer ist Geschäftsführer beim Bundesverband Alternative Investments e.V. und verantwortlich für die Verbandsaktivitäten in den Bereichen Politik, Öffentlichkeitsarbeit sowie Recht und Regulierung. Er ist seit über 20 Jahren in unterschiedlichen Funktionen im Investment-, Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht aktiv.