Weltpolitik wägt Wirtschaft in falscher Sicherheit

Kommentar: Klimawandel und CO₂-Ziele

Dr Peter Güllmann, Bank im Bistum Essen
Dr Peter Güllmann, Bank im Bistum Essen

Bildnachweis: Bank im Bistum Essen.

Die Welt nach der UN-Klimakonferenz COP29 ist – die wenigsten wird es wundern – keine andere. Klare politische Signale an die Weltgemeinschaft, dass es mit der Emissionsreduzierung jetzt aber mal wirklich vorangeht, gab es auch auf der Weltklimakonferenz im aserbaidschanischen Baku nicht. Eine Analyse der Vereinten Nationen zeigt, dass wir das 1,5-Grad-Ziel mit den aktuellen Minderungsmaßnahmen nicht ansatzweise erreichen können. Stand heute befinden wir uns eher auf einem 3,1-Grad-Pfad.

Dass es den Staatenlenkern selbst bei maximaler medialer Aufmerksamkeit nicht gelingt, positive Zeichen zu setzen und politische Geschlossenheit zu demonstrieren, hat auch wirtschaftspsychologisch fatale Folgen. Es scheinen nämlich diejenigen recht zu behalten, für die Klimaschutz und nachhaltige Transformation ohnehin überbewertetes Gedöns ist. Und die dies gerne lauthals kundtun.

Vertrauen in schwache Klimapolitik wird teuer

Fatal sind diese Folgen, weil die politischen Versäumnisse nicht die finanzwirtschaftliche Realität widerspiegeln. In dieser spielen CO₂-Minderungsstrategien, Transitionspläne, Phase-outs und Reduktionspfade mittlerweile nämlich eine entscheidende Rolle – sowohl auf Kredit- als auch auf Anlageseite. Beispiel Kredit, Beispiel Deutsche Bank: 2023 hat diese ihren ersten Transitionsplan sowie die hauseigenen Netto-Null-Ziele für zusätzliche emissionsintensive Branchen veröffentlicht. Ende 2022 notierte die Deutsche Bank 107 Mrd. EUR im Unternehmenskreditbuch, die für 30,5 Mio. Tonnen CO₂e/y finanzierte Emissionen verantwortlich waren. Bei der emissionsintensiven Öl- und Gasbranche sieht der Plan eine Reduzierung der finanzierten Emissionen um 23% bis 2030 und um 90% bis 2050 vor. Im Klartext: Von der Deutschen Bank wird im Jahr 2050 vermutlich fast kein Geld mehr in die Öl- und Gasbranche fließen. Es sei denn, diese wirtschaftet bis dahin nahezu emissionsfrei. Das sogenannte Phase-out, also das Ausschleichen dieser emissionsintensiven Finanzierungen beginnt aber schon jetzt. Zitat: „Aus Branchen, die nicht dekarbonisiert werden können, will die Deutsche Bank schrittweise aussteigen. Gleiches gilt für Kunden, bei denen keine Bereitschaft erkennbar ist, sich dem Transitionspfad der Bank anzuschließen.“ Klare Ansage also.

Kreditbücher und Anlagegrundsätze kommen unter die Lupe

Transitionspläne, wie sie die Deutsche Bank erstellt, sind indes kein Ergebnis überbordenden Gutmenschentums, sondern schlichte Notwendigkeit. Ob Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), Capital Requirements Regulation (CRR) oder Bafin-Auflagen: Dass Banken ihre Kreditbücher „sauber“ machen müssen, fordern gleich mehrere Regularien. Auch kleinere Banken wie die BIB beschäftigen sich aktuell intensiv mit der Frage, wie Emissionen in den Kreditbüchern gesenkt werden können. Getreu dem Fairbanking-Prinzip berücksichtigen wir dabei aber auch die soziale Säule der Nachhaltigkeit. Ein Blick auf die Anlageseite zeigt ebenfalls, dass es emissionsintensive Wirtschaftszweige künftig schwer haben werden, Geld auf dem Kapitalmarkt zu bekommen. Union Investment etwa will die Förderung fossiler Energieträger ab kommendem Jahr gänzlich aus ihren nachhaltigen Fonds ausschließen. In den herkömmlichen Fonds wird das Engagement schrittweise eingeschränkt. Solche Zielsetzungen sind wichtige Weichensteller für Banken aus dem Genossenschaftsverbund und darüber hinaus. Auch die BIB aktualisiert
aktuell die Anlagekriterien – und schaut genau, in welche Richtung Signalgeber wie Union Investment steuern.

Über den Autor:

Dr. Peter Güllmann ist Vorstandssprecher der Bank im Bistum Essen und unter anderem verantwortlich für das Kreditgeschäft, Mikrofinanzierung und Nachhaltigkeit. Zudem ist
er Vorsitzender des Rates für Wirtschaft und Soziales beim Bischof von Essen.