Bildnachweis: Andreas Gebert.
Deutschland hat eine hervorragende Chance zu einer Start-up-Entwicklung, die Leuchttürme schafft und gleichzeitig regional verankert und breit gefächert ist. Wir müssen dafür den geplanten Weg konsequent fortsetzen und an einigen Stellen Maßnahmen ergänzen: alternative Finanzierungswege finden, neue Zielgruppen ansprechen und Regionen mitnehmen. Das Ziel ist eine diversifizierte und geografisch breit gefächerte Start-up-Landschaft.
Als täglicher Unterstützer von Start-ups und Investoren sieht BayStartUp die dringende Notwendigkeit, die Rahmenbedingungen für ein innovatives und unternehmerisches Deutschland zu verbessern. In unserer aktuellen wirtschaftlich herausfordernden Zeit bietet sich der Politik die Gelegenheit, Deutschland zu einem führenden Innovationsstandort zu entwickeln. Die deutsche Start-up- und Investorenszene kann dabei eine Schlüsselrolle einnehmen. Die Szene steht (noch) gut da. Viel ist bereits investiert worden – doch nun müssen strategische Entscheidungen getroffen werden, um diese Situation in eine breite, nachhaltige Bewegung zu verwandeln.
Finanzierung von Start-ups viel breiter denken
WIN-Initiative: Von der Absicht zur Implementierung
Die WIN-Initiative soll Deutschland bis 2030 als führenden Standort für Innovation und Wachstumskapital etablieren. Sie legt großen Wert auf die Verfügbarkeit von Wachstumskapital in bisher nicht gekannter Dimension. Diese positive Ausrichtung sollte schnellstmöglich von der Planungsphase in die konkrete Umsetzung überführt werden.
Unterstützung in der Frühphase nicht vernachlässigen
In der aktuellen Diskussion erscheint die Frühphase der Unternehmensgründung als ausreichend unterstützt. Hier hat sich in der Tat einiges getan. Doch trotz erkennbarer Fortschritte bedarf auch die Frühphase permanenter „Zuwendung“ – ansonsten fehlen uns genau die Gründungen, die in ein paar Jahren das Potenzial haben, die dann hoffentlich verfügbaren Gelder der WIN-Initiative abzurufen. Die jüngsten Einschränkungen beim INVEST-Zuschuss weisen jedoch in die gegenteilige Richtung und setzen die falschen Signale: Denn insbesondere erfahrene Business Angels, die oft entscheidende Unterstützer für Start-ups sind, werden nun von der Förderung ausgeschlossen. Bei dieser Gelegenheit ist auch die Abkehr von Zuschüssen hin zu steuerlichen Vorteilen angezeigt, wie sie in anderen europäischen Ländern wie Frankreich oder Großbritannien seit langen Jahren üblich und erfolgreich sind.
Der Fokus auf Unicorns muss erweitert werden
Der aktuelle Fokus auf die Finanzierung von Unicorns ist gut und wichtig – so schaffen wir Leuchttürme mit internationaler Strahlkraft. Zusätzlich müssen wir Finanzierungswege stärken, die auf unsere mittelständischen Strukturen und deren nachhaltiges Wachstum zugeschnitten sind. Gerade außerhalb der Metropolen besteht ein enormer Bedarf dafür. Es ist entscheidend, Fördermittel zu entwickeln, die die Eigenkapitalbasis stärken und so die Möglichkeit für Darlehensfinanzierungen erweitern.
Entbürokratisierung nach der Gründung
Die Möglichkeit, innerhalb von 24 Stunden ein Unternehmen zu gründen, ist ein wichtiger Schritt. Entscheidender ist es jedoch, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Start-ups nach der Gründung erlauben, ihre Ressourcen auf Innovation statt Verwaltung zu legen. Viele Start-ups sehen sich gerade in dieser frühen Phase mit einem Berg bürokratischer Herausforderungen und teilweise sogar widersprüchlichen regulatorischen Hürden konfrontiert. Diese können in ihrer Vielzahl den Eindruck erwecken, dass schon die Unternehmensgründung selbst fast eine Regelübertretung darstellt. Es ist dringend erforderlich, die Anzahl der geltenden Gesetze umfassend zu reduzieren und jede einzelne Vorschrift daraufhin zu überprüfen, ob sie in der Praxis umsetzbar ist.
Hochschulen reichen nicht
Zu Recht lag in der Vergangenheit ein großer Schwerpunkt der Start-up-Förderung auf den Hochschulen. Das ist gut so und darf auf keinen Fall weniger werden, denn hier sind noch lange nicht alle Potenziale ausgeschöpft. Gerade erfolgreiche Deeptech-Gründungen haben in den Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen ihren Ursprung. Dennoch erreichen viele Menschen die erforderliche Reife für eine Unternehmensgründung erst nach Beginn ihrer beruflichen Karriere, häufig im Alter von circa 40 Jahren. In dieser Lebensphase, die oft durch hohe Kosten und geringe finanzielle Reserven gekennzeichnet ist, ist es eine große Herausforderung, auf ein Jahresgehalt zu verzichten, um ein Unternehmen zu gründen. Die Einführung geeigneter Fördermaßnahmen, ähnlich dem EXIST-Stipendium, könnte ein bisher ungenutztes Potenzial an Gründern erschließen, das noch nicht aktiv gefördert wird.
Fazit
Die deutsche Start-up- und Investorenszene hat jetzt die ausgezeichnete Gelegenheit, ihre aktuell starke Position und wirtschaftliche Verschiebungen zu nutzen, um Deutschland mit neuer innovativer Energie zu beleben. Das Nachahmen ausländischer Modelle ist dabei nur bedingt hilfreich – stattdessen können künftige Förderungen besser auf die spezifischen Stärken und Bedürfnisse des Standorts Deutschland eingehen. Wir brauchen eine Stärkung von Start-ups in der gesamten Fläche Deutschlands, nicht nur in den Hotspots wie Berlin, Hamburg oder München. Dazu gehört, Anreize für Unternehmensgründungen in allen Regionen und bei neuen Zielgruppen zu setzen.
Über den Autor:
Dr. Carsten Rudolph ist Geschäftsführer der BayStartUp GmbH. Er verfügt über langjährige Erfahrungen in Start-ups und Tech-Unternehmen. Seine beruflichen Stationen waren Unternehmen wie Microsoft, McKinsey & Co., die Siemens AG, das netzwerk nordbayern sowie ein Start-up im E-Health-Umfeld. Rudolph lehrt als Professor für Entrepreneurship an der Technischen Hochschule Nürnberg.