Bildnachweis: Keller Schneider.
KI-basierte Technologien bieten enorme Chancen – von der Analyse von Röntgenbildern über selbstfahrende Fahrzeuge, die Verkehrsanalysen durchführen, Entscheidungen treffen
und Notbremsmanöver auslösen, bis zur KI-gestützten Analyse chemischer Daten zur Identifikation neuer Wirkstoffe für Medikamente. Diese Innovationen haben das Potenzial, Branchen zu revolutionieren, stehen jedoch vor komplexen rechtlichen Herausforderungen.
Stellen Sie sich vor, ein junges Start-up entwickelt eine bahnbrechende KI-Technologie, die medizinische Diagnosen revolutioniert. Binnen Wochen steigt das Interesse von Investoren, Wettbewerbern und potenziellen Kunden rasant an. Doch ohne den Schutz durch Patente riskieren sie, dass ihre Innovation kopiert wird – und ihre Marktstellung verpufft, bevor sie sich etablieren kann. Der Schutz von KI-Erfindungen ist eine strategische Notwendigkeit, um langfristig Wettbewerbsvorteile zu sichern und das Vertrauen von Investoren zu gewinnen.
Warum der Schutz von KI-Erfindungen wichtig ist
Zahlreiche Unternehmen, die in den letzten Jahren erfolgreich am Markt gestartet sind, haben ihre Schutzrechte als strategisches Asset genutzt, um sich von Wettbewerbern abzugrenzen. Besonders im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) stehen Start-ups und Investoren jedoch vor spezifischen Herausforderungen, da entsprechende Innovationen auf großen Datenmengen und schwer greifbaren Softwarelösungen basieren. Der technologische Fortschritt bietet jedoch auch große Chancen, wenn Schutzrechte strategisch klug eingesetzt werden.
Was kann man überhaupt patentieren?
Die Patentierbarkeit von Erfindungen ist an klare Voraussetzungen gebunden. Grundsätzlich muss eine technische Lösung vorliegen, die neu, erfinderisch und gewerblich anwendbar ist. Im Kontext von KI bedeutet dies, dass nicht die Idee einer KI-Anwendung, sondern spezifische technische Ansätze und Verfahren, die beispielsweise eine bestimmte Funktionalität ermöglichen, geschützt werden können.
Beispiele dafür sind:
- Algorithmen, die durch adaptives Lernen Fehlerquoten minimieren, beispielsweise bei medizinischen Diagnosen. Darunter fallen auch neuronale Netzwerke, die Tumore in MRT- oder CT-Scans erkennen und dadurch präzisere Diagnosen ermöglichen.
- Prozesse, die die Energieeffizienz von Maschinen verbessern, etwa durch Datenanalysen und Optimierungen; etwa Modelle, die durch KI die Effizienz von Windkraftanlagen steigern.
- Autonome Systeme, die Verkehrsanalysen durchführen, das Fahrerverhalten vorhersagen, Spurwechsel einleiten oder Notbremsmanöver auslösen, um die Sicherheit zu erhöhen. Zu diesen autonomen Systemen zählen auch KI-Algorithmen, die Fahrverhalten und Verkehrsströme optimieren.
- Smart Grids, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz Wetterdaten analysieren, um Energiebedarf und -produktion in Echtzeit anzupassen und erneuerbare Energien effizient zu integrieren. Solche Systeme können durch KI gestützte Vorhersagen zu Energiebedarf und Wetterbedingungen erstellen, um erneuerbare Energiequellen effizienter zu nutzen.
Besonders in der Industrie 4.0 und im Internet der Dinge (IoT) spielen diese softwarebasierten Innovationen eine zentrale Rolle. Hybride Methoden, bei denen maschinelles Lernen mit regelbasierten Systemen kombiniert wird, erweitern die Möglichkeiten der Patentierbarkeit erheblich. Ein aktuelles Beispiel aus der Medizin ist die KI-gestützte Analyse chemischer Daten zur Identifikation neuer Wirkstoffe für Medikamente. KI-Systeme analysieren chemische Daten, um potenzielle Wirkstoffkombinationen zu identifizieren, die dann auf ihre Wirksamkeit getestet werden. Solche Systeme verkürzen Entwicklungszyklen und senken Kosten. Weitere Fortschritte zeigen sich in der Optimierung von Materialien und Strukturen, etwa für Turbinenschaufeln oder Leichtbaukomponenten in der Luftfahrt.
Herausforderungen beim Schutz von KI-Technologien
Die Patentierung von KI-Lösungen birgt besondere Herausforderungen:
- Offenlegungspflichten: Patente erfordern eine detaillierte Beschreibung der Erfindung. Bei Machine Learning-Modellen stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang Trainingsdaten offengelegt werden müssen. Diese Daten sind oft geschäftskritisch, da sie einen Wettbewerbsvorteil darstellen.
- Dynamik der KI-Systeme: Viele KI-Anwendungen entwickeln sich durch kontinuierliches Lernen weiter. Wie definiert man den statischen Kern einer Erfindung, der patentfähig ist? Die Herausforderung liegt darin, dynamische Modelle rechtlich greifbar zu machen.
- Nachweisbarkeit: KI-Systeme fungieren oft als „Blackbox“, was es erschwert, eine Patentverletzung nachzuweisen. Ein Ansatz ist, leicht überprüfbare Komponenten wie Vorverarbeitungsalgorithmen oder deterministische Schritte zu patentieren. Zudem ergeben sich rechtliche Fragen zur Verantwortlichkeit, wenn mehrere Parteien, etwa in unterschiedlichen Ländern, an einer Innovation beteiligt sind. Die Zusammenarbeit mit internationalen Experten ist hier essenziell. Auch die Fragen, ob Trainingsdaten offengelegt werden müssen und welche Art von Daten (synthetisch, real oder anonymisiert) relevant sind, bleiben ein kritischer Punkt.
Vorteile einer Patentierung für Start-ups und Investoren
Für Start-ups bietet die Patentierung mehrere Vorteile:
- Marktposition: Patente verhindern Nachahmungen und sichern den exklusiven Zugang zu innovativen Technologien. Die strategische Nutzung von Patenten schafft nicht nur Schutz, sondern verschafft Start-ups auch echte Wettbewerbsvorteile.
- Investorensicherheit: Ein starkes Patentportfolio erhöht das Vertrauen von Investoren in die Nachhaltigkeit der Geschäftsidee. Investoren betrachten Patente als einen zentralen Indikator für die Markt- und Innovationsfähigkeit eines Unternehmens.
- Monetarisierung: Patente können über Lizenzen oder strategische Partnerschaften neue Umsatzquellen erschließen. Zum Beispiel können Unternehmen in der Medizintechnik durch Lizenzierungen ihre KI-basierten Diagnosewerkzeuge effizient in neuen Märkten einsetzen und potenziell zusätzliche Einnahmen erzielen. Für Investoren minimieren Patente das Risiko, in angreifbare Technologien zu investieren. In Bereichen wie der Medizintechnik oder der Automobilindustrie ist der Wert eines Unternehmens oft eng mit seinen Schutzrechten verknüpft. Zudem spielen Patente eine wichtige Rolle bei Exits oder strategischen Partnerschaften. Sie können auch als Grundlage für die Expansion in neue Märkte dienen.
Fazit
KI-basierte Erfindungen bieten ein enormes Potenzial für Innovation und wirtschaftlichen Fortschritt. Gleichzeitig stehen Start-ups und Investoren aber vor komplexen Aufgaben: Patente müssen präzise formuliert, technische Lösungen klar offengelegt und langfristige Strategien entwickelt werden. Fun Fact: Die KI macht auch im Patentwesen selbst keinen Stopp. Sie identifiziert effizienter Innovationslücken, unterstützt bei der Formulierung möglichst umfassender Ansprüche und erleichtert die Verwaltung von Schutzrechten. Ist das nicht wunderbar. Die Vorteile einer erfolgreichen Patentierung gehen dabei auch weit über den reinen Rechtsschutz hinaus: Sie schafft Vertrauen bei Investoren, stärkt die Marktposition und eröffnet neue Einnahmequellen. Durch die Verbindung technischer Expertise mit einer durchdachten Schutzstrategie lässt sich die Zukunft von KI-basierten Technologien erfolgreich gestalten.
Über die Autoren:
Dr. Philipp Rüfenacht ist diplomierter Physiker und seit 2005 Patentanwalt mit Spezialisierung auf Softwarepatenten. Er ist Partner der Keller Schneider Patent- und Markenanwälte AG mit Standorten in Bern, Zürich und München.
Mirko Schade ist geschäftsführender Partner der Patentanwaltskanzlei Keller Schneider sowie Geschäftsführer des Rechercheunternehmens Integrate IP und berät Unternehmen zu
Intellectual Property, IT und Technologie. Sein Fokus liegt insbesondere auf der effektiven Nutzung von KI-Projekten.