Venture Debt vs. klassischer Kredit und Mezzanine

Frisches Geld für laufende Start-ups

Das originäre Startkapital genügt vielen Gründern nur, um ihre kleine Firmen-Lokomotive auf die Schienen zu stellen und in langsame Bewegung zu setzen. Das mag zwar ausreichen, um die ersten Umsätze zu erwirtschaften. Die aber genügen in aller Regel nicht, um danach in Eigenregie wachsen und weiterfahren zu können.

In der Folge passt die Lokomotiven-Analogie auch weiterhin für viele Start-ups in den ersten Jahren: Sie verbrennen die sprichwörtliche „Kohle“ in rauen Mengen, um genügend Tempo aufzunehmen, bis die ersehnte Wegmarke erreicht ist – die Firma kann sich aus eigenem Antrieb über Wasser halten.

Auf dem Weg dorthin sind immer wieder Finanzierungsrunden nötig. Bei jeder davon stehen verschiedene Möglichkeiten offen, die Lokomotive mit frischem Brennstoff zu beladen. Wir stellen die wichtigsten davon für die Phasen um den Break-Even-Point herum vor und vergleichen sie. 

Hinweis: In diesem Artikel konzentrieren wir uns explizit auf Optionen für Start-ups, die bereits seit wenigen Jahren existieren. Das Thema Gründungskapital wird nicht angeschnitten.

Die Ausgangslage: Das Start-up nach den ersten Monaten und Jahren

Es gibt viele Gründe, warum Start-ups scheitern. Die Zeiträume werden dabei viel seltener betrachtet – obwohl sie enorm wichtig sind. Denn die „Sterberate“ ist mitnichten im ersten Jahr am höchsten. Dazu sei unter anderem auf eine Langzeitbetrachtung des Instituts für Mittelstandsforschung verwiesen. 

Je nach Branche, Art des Start-ups und anderer Faktoren sind nach einem Jahr im Schnitt noch zirka drei Viertel der Firmen operativ. Bei solchen mit Beschäftigten waren es in der Langzeitbetrachtung sogar 86 Prozent. Erst in den Folgejahren zeigt sich eine große Ausdünnung:

  • Nach 2 Jahren existieren bloß noch 60 %,
  • nach 3 Jahren 48 %,
  • nach 4 Jahren 43 % und
  • nach 5 Jahren 38 %.

Mancher erkennt es vielleicht: Ab dem dritten Jahr flacht die Sterbekurve signifikant ab. Das heißt, die ersten Jahre sind die kritischsten Zeiträume. Nach nur drei Jahren ist gut die Hälfte der Firmen wieder vom Markt verschwunden.

Diese Zahlen ähneln bemerkenswert denjenigen für den Break-Even-Point (BEP). Im Schnitt dauert es je nach Branche, Geschäftsmodell und anderen Faktoren ungefähr 6 bis 30 Monate, bis sich Einnahmen und Ausgaben eines Start-ups die Waage halten. 

Bis zu dieser Schwelle und auch danach sind typischerweise mehrere Finanzierungsrunden notwendig. Diese Zwischenphase ist nicht zuletzt deshalb so schwierig, weil hier spezielle Finanzierungs“regeln“ gelten. Typische Frühphasen-Investments (etwa Business Angels) sind i.d.R. nicht mehr verfügbar; die meisten klassischen Venture-Kapitalgeber steigen aber erst ein, wenn die Gewinnschwelle deutlich überschritten wurde. 

In dieser Phase zeigen sich folgende Merkmale:

  1. Der Break-Even-Point ist fest absehbar oder wurde überschritten. Man befindet sich aber noch nicht so weit in der Gewinnzone, das die Mittel für ein organisches Wachstum oder andere Firmenfinanzierungsformen genügen.
  2. Das Unternehmen hat bewiesen, dass es und sein Produkt zumindest nicht vollkommen falsch aufgestellt sind. Es gibt also berechtigte Hoffnung auf längeren Erfolg.
  3. Es kann dennoch jede Menge schiefgehen, daher ist das generelle Risiko immer noch recht hoch – wenngleich niedriger als zu Beginn.
  4. Da die Firma bestenfalls „blassgrüne“ Zahlen schreibt, sind zusätzliche Finanzierungen unumgänglich. 

Hierfür existieren drei primäre Finanzierungsmöglichkeiten. Ihr gemeinsames Merkmal: Ungleich zu anderen Varianten erhalten dabei keine Unternehmensfremden mit jeder Finanzierungsrunde mehr Kontrolle. 

Diese Optionen sollten Gründer daher unbedingt kennen und für ihr Unternehmen vergleichen. Denn davon kann nicht nur das Überleben abhängen, sondern ebenso der künftige Handlungsspielraum.

Venture Debt: Wetten auf das Wachstum 

Venture Debt (auch Growth Debt oder Venture Loan genannt) ist eine typische Fremdkapitalfinanzierung für diese Phase ab dem Break-Even-Point. Prinzipiell handelt es sich meist um eine Sonderform eines endfälligen Darlehens. Das heißt, die Finanzierung ist in mehrere Phasen aufgeteilt:

  • Phase 1: Das Geld wird direkt bereitgestellt oder dem Start-up als frei abrufbarer Rahmenkredit bzw. Kreditrahmen zur Verfügung gestellt. Letzteres ist der Fall, wenn die Firma die Mittel noch nicht unmittelbar benötigt, aber sie sich schon sichern möchte – etwa, weil sie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gute Zahlen vorweisen kann.
  • Phase 2: Entweder direkt oder ab Inanspruchnahme der ersten Euros beginnt die Rückzahlungsphase. In dieser besteht der Schuldendienst aber nur aus dem Begleichen der vereinbarten Zinsen. Eine Tilgung erfolgt nicht.
  • Phase 3: Am Ende der Laufzeit sind die Zinsen beglichen und es wird die Tilgung eingefordert. Meistens geschieht das in Form einer großen Einmalzahlung.

Die wichtigsten Quellen für Venture Debt sind einige wenige Banken sowie insbesondere spezielle Debt Fonds. Das zentrale Merkmal dieser Finanzierung ist das, worauf die Geldgeber schauen.

Grundsätzlich erfolgt die Wertgenerierung der Finanzierung durch die Start-up-seitige Rückzahlung der Zinsen. Da es sich aber um ein endfälliges Darlehen handelt, interessiert die Finanziers vor allem, wie die Zukunftsaussichten der Firma aussehen. 

Genauer: Wie wahrscheinlich es ist, in einem, zwei, drei oder vier Jahren die Tilgung entweder aus eigenem Antrieb leisten zu können oder andere Mittel zu finden? Für die Mittelgeber ist Venture Debt deshalb eine Art Wette auf das künftige Wachstum. 

Der Nachteil sind die Kosten. Die Zinsen von Venture Debt können sehr deutlich zweistellig ausfallen. Wie teuer es wird, hängt primär davon ab, wie lange das Start-up bereits (erfolgreich) operiert. Typische Voraussetzungen sind:

  • BEP erreicht oder überschritten
  • Stabiler Cashflow und operatives Geschäft
  • Realistisch absehbares Wachstumspotenzial

Dennoch sollten selbst erfolgreiche Gründer Venture Debt als zweiseitige Medaille ansehen. Die große Tilgungssumme kann in einigen Jahren zur Bürde werden. Denn sie schreckt neue Investoren ab – die wollen ihr Geld in Unternehmenswachstum investieren, nicht in Schuldendienste. 

Außerdem sichern sich die Geldgeber meistens zusätzlich ab. Oft enthalten die Verträge einen Passus, wonach der Venture-Debt-Investor bereits bei Abschluss eine Vorabzahlung erhält. Zudem kann eine Bedingung darin bestehen, bei dass der Geldgeber entweder generell oder bei Unterschreiten von Schwellen Anteilsrechte erhält.  

Firmenkredit: Klassisches Darlehen, aber schwieriger zu bekommen

Angesichts der zahlreichen Finanzierungsoptionen gerät der „Klassiker“ oft ein bisschen in den Schatten. Dabei kann ein Kredit für Selbstständige eigentlich mit angenehmen Faktoren aufwarten:

  1. Finanzierungspartner ist eine herkömmliche Bank. Sie unterliegt dem Bankrecht, wodurch alles von glasklaren und rechtlich abgedeckten Regeln bestimmt wird. 
  2. Es handelt sich in aller Regel um „normale“ Ratenkredite: Man kennt von Anfang an einen Tilgungsplan, das Geld wird freigegeben, anschließend zahlt das Start-up so lange Zinsen und Tilgung in Form bekannter Raten zurück, bis die Schuld beglichen ist. 
  3. Die Basiszinsen orientieren sich am offiziellen Zentralbank-Leitzins – nicht an anderen Referenzzinssätzen oder sonstigen Merkmalen. 

Das mag zwar nicht so „jung, dynamisch, risikobereit“ wirken wie das Selbstbild vieler Start-ups und anderer Finanzierungsmethoden. Aber es ist eine konservative, angenehm verlässliche Methode, Fremdkapital ins Unternehmen zu holen – und oftmals deutlich günstiger als Venture Debt. 

Außerdem gibt es meist keine „Haken“, durch welche die Bank Einfluss auf das Unternehmen ausüben kann. Jeder Gründer sollte den Kredit deshalb zumindest in seine Auswahl einbeziehen und anfragen.

Die Schwierigkeit an der Sache: Längst nicht jedes Start-up genügt in dieser Phase den ebenfalls konservativen Finanzierungsregeln. Schon aus Gesetzesgründen müssen herkömmliche Banken sehr vorsichtig sein. Realistische Chancen gibt es nur, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • BEP überschritten
  • Hoher Cashflow
  • Nachweisbare, nutzbare Sicherheiten
  • Mindestens 2, 3 Jahre Existenz

Der Bankkredit ist daher meist keine Option für „Wackelkandidaten“ unter den Start-ups oder solche, die Wachstum über Rentabilität stellen. Aufgrund der sogenannten Basler Regularien können Banken mittlerweile nur noch mit wenig Augenmaß Kredite bewilligen. Sie müssen sich an feste Risikovorgaben halten.  

Wer jedoch erfolgreich wirtschaftet, kann trotz jungem Firmenalter durchaus darauf hoffen, Geld zu erhalten. Wenn nicht von einer Bank, dann von einer anderen.

Mezzanine-Kapital: Firmenfinanzierung „halb und halb“

Insbesondere die jüngsten Ausprägungen besagter Basler Regularien haben den Fremdfinanzierungsmarkt aufgewirbelt. Indem Banken Risiken strenger bewerten und mehr Eigenkapital bevorraten müssen, können sie weniger Kredite vergeben. 

Davon profitierte nicht zuletzt die Branche der Mezzanine-Kapitalgeber. Zumindest in dieser Liste handelt es sich dabei um die „seltsamste“ Form von Geldspritze. Denn Mezzanine-Kapital trägt die Eigenschaften von Eigen- und Fremdkapital gleichermaßen. Was davon überwiegt, hängt nur von der vertraglichen Gestaltung ab.

  • Eigenkapital-ähnliches Equity-Mezzanine: Hierbei erfolgt die Umsetzung bzw. Rückzahlung in Form von stillen Beteiligungen, partiarischen Darlehen, Genussrechten oder Wandeldarlehen. Das ist für Start-ups die typische Vorgehensweise. 
  • Fremdkapital-ähnliches Debt-Mezzanine: Hier wird ähnlich wie bei einem Darlehen finanziert. Primär als Nachrangdarlehen, Schuldscheindarlehen oder als sogenanntes PIK-Darlehen. Derartiges Mezzanine wird eher für etablierte Firmen vergeben. 

Für Start-ups bedeutet das insbesondere eine geringere Belastung der Liquidität, weil oft keine klassischen Raten anfallen. Zudem kann Mezzanine durch die Eigenkapitalstärkung es erst ermöglichen, anderes Fremdkapital zu erhalten. Beispielsweise ist die Kombination aus Mezzanine und Bankkredit ein etablierter Weg – das Mezzanine-Kapital sorgt für ein besseres Standing, das reduziert das Risiko aus Sicht der Bank.

Erneut gilt jedoch: Längst nicht jedes Jung-Unternehmen hat eine Chance darauf. Denn die Investoren achten stark auf folgende Faktoren:

  • Solide positiver Cashflow(-Ausblick)
  • Glaubwürdige Wachstumsperspektiven
  • Stabiles Geschäft & vertrauenswürdiges Management
  • Geringe bestehende Verbindlichkeiten

Vor allem letzteres kann es schwierig machen. Denn kurz hinter dem BEP gibt es in Start-ups oft eine längere Liste von anderen Akteuren, die zu bedienen sind. 

Zusammengefasst

Auch eine „Firmen-Lokomotive“ benötigt in der Beschleunigungsphase den meisten Brennstoff. Selbst wenn der Break-Even-Point fest im Blick ist oder kürzlich überschritten wurde, sind daher trotzdem weitere Finanzierungen nötig, um das endgültige Reisetempo zu erreichen – wo klassische Venture-Kapitalgeber und ähnliche Partner warten.

Gründer sollten dabei vor allem nach Möglichkeiten suchen, die keine weitere Abgabe von Firmenanteilen verlangen. Andernfalls droht eine unbotmäßige Verwässerung – ähnlich wie zu viele Lokführer im Steuerstand.