Bildnachweis: Grant Thornton.
Later Stage-Finanzierungsrunden zeigten sich in den letzten fünf Jahren durchaus robust; gleichzeitig hat Künstliche Intelligenz den Markt getrieben. Eine Analyse basierend auf Daten aus der PitchBook-Datenbank beleuchtet zentrale Trends und Veränderungen in der deutschen Finanzierungslandschaft. Dabei werden die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das Investitionsgeschehen berücksichtigt und mit einem Rückblick auf die Jahre 2015 bis 2019 eingeordnet.
Sowohl die Anzahl der Investoren als auch das Finanzierungsvolumen in Later Stage-Runden verzeichneten in Deutschland einen Aufwärtstrend und erreichten 2021 mit 8,9 Mrd. EUR ihren Höchststand. Während die COVID-19-Pandemie kurzfristig zu einem Rückgang der Investitionstätigkeit führte, belief sich das Gesamtvolumen der Investitionen im Jahr 2020 auf 4,2 Mrd. EUR und lag damit noch leicht über dem Niveau von 2019.
Leichter Rückgang 2022, seit 2024 Erholung
Im Jahr 2022 ging das Investitionsvolumen leicht zurück – eine Phase, die durch steigende Zinssätze infolge des Ukrainekrieges sowie eine verstärkte Prüfung börsennotierter Technologieunternehmen geprägt war. Diese Entwicklungen führten in den darauffolgenden Jahren 2022 und 2023 zu einem Rückgang der Unternehmensbewertungen. Im darauffolgenden Jahr 2024 konnten die Later Stage-Finanzierungen jedoch wieder um rund 35% zulegen – sowohl in Bezug auf die Bewertungen als auch auf die Anzahl der Transaktionen. Über alle Later Stage-Finanzierungsrunden hinweg stieg das durchschnittlich investierte Kapital pro Transaktion von 16,9 Mio. EUR im Jahr 2020 auf 26,6 Mio. EUR im Jahr 2021, bevor es 2022 auf 23,4 Mio. EUR zurückging. Das Fünfjahrestief wurde 2023 erreicht, als die Venture Capital-Runden im Durchschnitt 14,5 Mio. EUR betrugen. Ein wesentlicher Faktor für diesen Rückgang war die gesunkene Risikobereitschaft von Investoren, insbesondere im Venture Capital-Bereich. Im Jahr 2024 erholte sich die
durchschnittliche Finanzierungssumme auf 17,4 Mio. EUR, maßgeblich getrieben durch die wachsende Relevanz generativer KI-Geschäftsmodelle nach der Einführung von ChatGPT Ende 2022. Die Analyse zeigt eine enge Korrelation zwischen dem verfügbaren Kapital und den Unternehmensbewertungen bei Later Stage-Finanzierungsrunden in Deutschland. Die Anzahl der Unternehmen, die für Later Stage-Finanzierungen infrage kommen, hängt von ihrer natürlichen Entwicklung ab – von der Geschäftsidee über die Umsatzgenerierung bis hin zur Marktexpansion. Ein plötzlicher Anstieg des verfügbaren Kapitals steht oft einem begrenzten Angebot an qualifizierten Unternehmen gegenüber; eine Dynamik, die tendenziell zu höheren Bewertungen führt.
KI als neuer Treiber der Transformation
Die Finanzierung von KI-Geschäftsmodellen wird separat von anderen IT-Sektoren betrachtet, da ihre Bedeutung in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen ist. Am Anfang unseres Betrachtungszeitraums hat sich das Investitionsvolumen in KI-Start-ups fast verdreifacht, von 132 Mio. EUR im Jahr 2019 auf 371 Mio. EUR im Jahr 2020 und schließlich auf 998 Mio. EUR im Jahr 2021. Während 2022 das investierte Kapital um rund 100 Mio. EUR im Vergleich zum Vorjahr sank, brach das Volumen 2023 drastisch auf 323 Mio. EUR ein. Im Jahr 2024 erlebte der KI-Sektor erneut einen signifikanten Aufschwung: Insgesamt 1,3 Mrd. EUR wurden in 70 Finanzierungsrunden investiert, was bedeutet, dass fast jede vierte Later Stage-Transaktion einen KI-Bezug hatte. Eine detaillierte Analyse der 247 KI-Finanzierungsrunden der vergangenen fünf Jahre zeigt, dass die Technologie in verschiedenen Branchen zu disruptiven Veränderungen führt. Neben den Kernbereichen Healthcare (15%), Cleantech (9%) und Advanced Manufacturing (9%) entfallen etwa 30% der Transaktionen auf andere Sektoren oder haben eine allgemeine Anwendung. Dies unterstreicht das langfristige Potenzial von KI-Start-ups, nahezu alle Wirtschaftsbereiche zu durchdringen.
Widerstandsfähigkeit der Later Stage-Finanzierungen
Insgesamt zeigten sich Later Stage-Finanzierungsrunden im Venture Capital-Bereich in den vergangenen fünf Jahren als bemerkenswert robust – trotz der Herausforderungen durch die COVID-19-Pandemie und der makroökonomischen Folgen des Ukrainekrieges. Zwar gab es in einzelnen Jahren, insbesondere 2023, deutliche Rückgänge, doch die Reife neuer Geschäftsmodelle – insbesondere im Bereich KI – hat erhebliche Kapitalströme in den Markt gelenkt. Die steigende Nachfrage nach Automatisierung, personalisierten Anwendungen und neuen Geschäftsmodellen wird diesen Trend in den kommenden Jahren weiter verstärken. Insbesondere in den Bereichen Gesundheitswesen, Climatetech und Industrie 4.0 dürften KI-Investitionen weiterhin auf hohem Niveau bleiben. Zudem ist zu erwarten, dass große Technologieunternehmen zunehmend innovative Start-ups aufkaufen, um ihre eigenen KI-Fähigkeiten zu stärken.
Fazit
Trotz anhaltend herausfordernder Rahmenbedingungen verlagert sich der Fokus im Venture Capital-Bereich zunehmend auf tragfähige Geschäftsmodelle mit klarer Monetarisierungsstrategie – im Gegensatz zu den großvolumigen Finanzierungsrunden der Jahre 2021 und 2022. Zugleich gewinnen gezielte Co-Investments mit etablierten Industriepartnern an Bedeutung – ein Wandel, der nachhaltiges Wachstum und langfristige Rentabilität in den Vordergrund rücken wird.
Über die Autoren:
Sabine Fahrenholtz ist Senior Managerin im Advisory-Team von Grant Thornton in Hamburg. Sie verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung im Bereich M&A und begleitet Unternehmen bei Transaktionen.
Alex Refec ist Senior Manager bei Grant Thornton Deutschland im Bereich Deal Advisory. Seit 20 Jahren begleitet er Transaktionen mit Mittelstandsunternehmen und innovativen Start-ups.