„Aus Rivalität wurde Kooperation“

Interview mit Matthias Lais & Kai Werner (neosfer)

Matthias Lais und Kai Werner, neosfer
Matthias Lais und Kai Werner, neosfer

Bildnachweis: neosfer, VentureCapital Magazin.

Als Frühphaseninvestor der Commerzbank schlägt neosfer eine Brücke zwischen Konzern und Start-up-Ökosystem. Der Fokus liegt dabei auf Start-ups aus den Bereichen Fintech, B2B SaaS und Sustainability, die die digitale und nachhaltige Transformation der Finanzbranche beschleunigen.

VC Magazin: Wie bewerten Sie die aktuelle Stimmung unter den CVCs und die Lage für deren Investments in Deutschland?

Lais: Nach einer Phase des Hypes und der anschließenden Marktkorrektur sehen wir eine langsame Erholung. Fintech-Investments stagnieren noch, doch die Wiedereröffnung von Exit-Kanälen wie durch das anstehende Klarna-IPO könnte den Markt beleben. In unseren Kernsegmenten – Fintech, B2B-SaaS und Nachhaltigkeit – finden wir weiterhin vielversprechende Start-ups. Die turbulente Marktphase hat zudem zu mehr Fokus auf solide Geschäftsmodelle geführt.

VC Magazin: Als Frühphaseninvestor der Commerzbank investieren Sie in die Bereiche
Fintech, B2B-Software-as-a-Service und Nachhaltigkeit. Das Fintech-Segment erlebte in den letzten Jahren immer wieder Aufs und Abs; gleichzeitig braucht es Innovationen zur Transformation des Bankwesens. Wie sehen Sie die Branche derzeit und welchen Beitrag zur Nachhaltigkeit können Sie leisten?

Werner: Die Fintech-Branche bleibt dynamisch. Während früher von Rivalität zwischen Banken und Start-ups die Rede war, stehen heute Kooperationen im Fokus. Banken profitieren von der Innovationskraft der Fintechs, während die Start-ups Zugang zu breiten Kundenstämmen erhalten. Ein Beispiel ist Pliant, in das neosfer 2021 investierte und das seit 2024 mit der Commerzbank kooperiert. Dank Pliants White Label-Lösung können Firmenkunden ihr Kartenportfolio eigenständig verwalten.

Lais: In Sachen nachhaltige Geschäftsmodelle sind Kapitalallokationen ein zentraler Hebel, um den Wandel voranzutreiben. Trotz mancher Skepsis beobachten wir weiterhin großes Interesse und bedeutende Deals im Bereich Nachhaltigkeit. Auch wir haben gezielt in Start-ups investiert, die über reine Softwarelösungen hinausgehen.

Jetzt online verfügbar: VC Magazin 02/2025!
Jetzt online verfügbar: VC Magazin 02/2025!

VC Magazin: Wie ist Ihr aktuelles Portfolio aufgestellt, und welche Herausforderungen treiben Ihre Start-ups momentan am meisten um?

Lais: Unser Portfolio umfasst knapp 40 Start-ups, von denen bereits elf Exits erzielt wurden. Herausforderungen sind die Kapitalbeschaffung in einem kompetitiven Investorenumfeld, insbesondere in späteren Phasen, regulatorische Anpassungen sowie Talentgewinnung und -bindung.

VC Magazin: Sie haben im letzten Herbst erstmals gemeinsam mit Tenity und der Commerzbank den „Joint Innovation Accelerator for Sustainable Finance“ aufgesetzt, um innovative Lösungen in verschiedenen Nachhaltigkeitsbereichen zu fördern. Welche Ergebnisse konnten Sie erzielen? Planen Sie eine zweite Auflage des Programms?

Werner: Das Programm war sehr erfolgreich. Die enge Zusammenarbeit zwischen
Start-ups und der Commerzbank führte zu mehreren Proofs of Concept mit Potenzial
für langfristige Partnerschaften. Thematisch ging es unter anderem um Biodiversitäts-
Standortdaten, Renovierungsprojekte, nachhaltige Mobilität und Lieferantenportfolios. Aufgrund der positiven Resonanz prüfen wir eine zweite Runde.

VC Magazin: Welche Auswirkungen erwarten Sie in Anbetracht der US-amerikanischen Politik unter Donald Trump und des neu gewählten Bundestags für hiesige Fintechs und Ihr CVC-Geschäft?

Lais: Der direkte Einfluss der neuen US-Regierung auf unsere Seed- und Series A-Investments ist begrenzt. Allerdings könnten US-Entscheidungen zum Beispiel den Bereich Krypto und Kapitalmärkte beeinflussen. In Deutschland müssen jetzt die richtigen Rahmenbedingungen für Start-ups geschaffen werden, insbesondere durch Bürokratieabbau und Digitalisierung der Verwaltung. Daneben ist langfristig die Stärkung der europäischen Kapitalmärkte wichtig, um sowohl bei der Finanzierung als auch im Exit-Fall den Markt zu stärken. Für CVCs bietet das aktuelle Marktumfeld vor allem im Early Stage-Segment attraktive Investmentmöglichkeiten – gerade auch im Fintech-Bereich.

VC Magazin: Welche Ziele haben Sie sich mit neosfer für die nächsten fünf Jahre gesetzt?

Werner: Unser hybrides Modell aus Corporate Venture Capital und Innovation Unit ermöglicht es uns, frühzeitig Trends zu erkennen und flexibel zu entscheiden, ob wir investieren oder selbst Lösungen entwickeln. Wir wollen unser Portfolio ausbauen und mehr Kooperationen zwischen Start-ups und der Commerzbank initiieren. Gleichzeitig intensivieren wir unsere Forschung und Entwicklung. Das gewonnene Wissen fließt in die Commerzbank ein und kann in MVPs oder Prototypen weiterentwickelt werden – oftmals kommen die Ideen hierfür direkt aus der Commerzbank und werden von uns umgesetzt. Falls strategisch sinnvoll, entstehen daraus eigenständige Start-ups. Unser Fokus bleibt klar: nachhaltige und digitale Innovationen voranzutreiben und den Brückenschlag zwischen Start-ups und Finanzinstituten zu stärken.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.

Über die Interviewpartner:

Matthias Lais ist Managing Director und einer der Gründer von neosfer. Er ist verantwortlich für Team „invest“, das Venture Capital-Investitionen in Early Stage-Start-ups aus den Bereichen Fintech, B2BSaaS und Sustainability realisiert.

Kai Werner ist seit Juni 2021 Managing Director bei neosfer. Er verantwortet Team „build“, das Trends und technologische Innovationen untersucht und daraus Use Cases, eigene PoCs und MVPs für den Finanzsektor entwickelt.