„Digitalisierung und IP betreffen mittlerweile jeden Lebensbereich“

Interview mit Benedikt Mahr & Dr. Lars Siebert (WIPIT)

Dr. Lars Siebert & Benedikt Mahr (WIPIT)
Dr. Lars Siebert & Benedikt Mahr (WIPIT)

Bildnachweis: WIPIT, VentureCapital Magazin.

Zum Jahresbeginn startete die Boutiquekanzlei WIPIT, ein Zusammenschluss der Sozietät Weitnauer mit dem auf Technikrecht spezialisierten Spin-off von Büsing Müffelmann & Theye (BMT). Mit insgesamt mehr als 20 Anwältinnen und Anwälten und über 40 Mitarbeitenden positioniert sich die Boutiquekanzlei als Anbieter für Rechtsberatung in den Zukunftsfeldern Venture Capital und Technologie, was auch der Claim der Kanzlei („Venture & Tech“) zum Ausdruck bringt.

VC Magazin: Die Kanzleien Weitnauer und ein Team von BMT vereinen ihre Kompetenzen in der neuen Kanzlei WIPIT. Wie kam es zu diesem Schritt und was wird abgesehen vom Namen künftig neu sein?

Siebert: Die Kanzlei Weitnauer und wir als Gruppe von Technikrechtsanwälten, von BMT,
haben uns über einen längeren Zeitraum kennengelernt. Unser Team war Teil einer Full
Service-Kanzlei für den Mittelstand. Wir haben uns viel mit Industrieberatung befasst,
aber auch im Bereich Venture Capital, vor allem im Technikrecht. In der Kanzlei Weitnauer
haben wir die optimale Ergänzung gefunden, da sich viele Themen in der Industrie durch
Disruption verändern. Die Anreicherung des Gesellschaftsrechts durch Technikrecht ist aus
unserer Sicht eine perfekte Synergie. Unsere Idee war es, aus einer Hand zu IP und IT zu
beraten und gemeinsam mit Weitnauer etwas Neues zu kreieren. Wir sind mittlerweile ein
Team von 24 Anwälten und bieten den bestmöglichen Service aus Venture Capital- und Technikrechtberatung.

VC Magazin: Der Fokus auf IP und IT – wie der Name bereits verrät – zeigt den stärkeren
Einfluss von Themen wie KI und anderen Technologien auf das Venture Capital-Geschäft. Wie sehr werden diese Themen die Anwaltstätigkeit künftig beeinflussen?

Siebert: Es wird sich zum einen die Arbeit der Anwälte selbst verändern, indem wir neue
Tools nutzen und effizienter werden. Gleichzeitig müssen wir Qualitätsanforderungen erfüllen, unser Berufsgeheimnis wahren und sehr genau arbeiten, was durch KI nicht kurz- und mittelfristig ersetzbar sein wird. Weiterhin müssen wir unsere Mandanten darin beraten, KI verantwortungsbewusst einzusetzen. Wir haben die Regulierung im Blick – in Europa, den USA, weltweit. Wir verstehen uns als Enabler und möchten auch für einen verantwortungsbewussten Umgang mit KI in den Unternehmen sensibilisieren. Seit Anfang Februar 2025 ist in Europa die KI-Weiterbildung im Unternehmen verpflichtend, und wir möchten Hilfestellungen geben, Grundregeln vermitteln und neben der technischen KI-Kompetenz das juristische Wissen dazu beisteuern. Auch die Ethik spielt eine wichtige Rolle. Grundrechte müssen geschützt sein, und als Unternehmer muss ich auch diese Verantwortung wahrnehmen und umsichtig handeln. Dieses Grundverständnis vermitteln wir unseren Mandanten.

Mahr: Wir erleben eine anhaltende Faszination für neue Technologien bei unseren Mandanten, insbesondere für KI, und haben selbst auch eine Legaltech-AG in der Kanzlei gegründet, in der wir uns mit neuen Technologien auch im Bereich der Rechtsberatung intensiv beschäftigen und am Puls der Zeit bleiben. Wir möchten die Risiken im Blick haben, die diese Technologien für uns und unsere Mandaten mit sich bringen, andererseits aber auch die Chancen nutzen, die vor allem Künstliche Intelligenz bietet. Insbesondere unsere jüngeren Kollegen beschäftigen sich sehr mit diesen Themen, wovon wir als Kanzlei profitieren.

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VC Magazin: Intellectual Property spielt auch bei technologischen Entwicklungen eine immer wichtigere Rolle. Wie nehmen Sie das Bewusstsein der Gründer für IP-Rechte wahr?

Siebert: Das Bewusstsein ist durchaus hoch, weil die Gründer verstehen, dass Intellectual
Property ein wesentliches Asset darstellt. Es fehlt aber gleichzeitig oft am konkreten Wissen
über den Schutz von IP-Rechten. Hier beraten wir und arbeiten auch eng mit Patentanwälten zusammen, um zu sensibilisieren. Im Prinzip sollten Gründer – je nach Ausbildungsweg – über IP Bescheid wissen. Das ist oftmals auch Teil des Studiums, wird auf dem Weg der Gründung aber manchmal aus den Augen verloren.

Mahr: Man merkt auch Unterschiede, ob das Geschäftsmodell aus der Wissenschaft kommt – hier liegt ein wesentlich stärkerer Fokus auf IP als zum Beispiel bei E-Commerce. In manchen Branchen kann auch ein besonderes Geschäftsmodell oder der Kundenstamm einen wesentlich höheren Wert als Intellectual Property haben. Dennoch ist es entscheidend, frühzeitig über IP-Rechte als wertbildenden Faktor nachzudenken. Auch entwickeln sich Daten immer mehr zum Rohstoff, Technologien werden weiterentwickelt, und es ist nicht immer klar, wer der Urheber ist. Aus vielem entsteht wieder Neues, was sich am Ende schwer zuordnen lässt. Hier ergibt sich eine Reihe von neuen Fragen, und man muss spezifisch entscheiden, wo welcher Schutz am sinnvollsten ist. VC Magazin: Worauf sollten Gründer und Investoren in puncto IP bei den Verhandlungen besonders achten?

Mahr: Für Investoren ist das Ziel, dass die IP-Rechte bei der Gesellschaft angesiedelt sind
und nicht etwa bei der Forschungseinrichtung oder beim Gründer als Person. Bei Ausgründungen spielt es zudem eine Rolle, die „freedom to operate“ für das jeweilige Geschäftsmodell zu haben. In manchen Fällen kann nicht alles auf die Gesellschaft übertragen werden, weil zum Beispiel die Universitäten weiter in dem jeweiligen Feld forschen. In diesem Fall muss sich der Gründer klar werden, wie es über die Forschung hinaus weitergehen kann: Lässt sich das Patent kommerziell nutzen? Ist es internationalisierbar? Das spielt bei der rechtlichen Gestaltung, aber etwa auch bei Fördergeldern eine wichtige Rolle.

Siebert: Gleichzeitig muss man sich gewahr sein, dass man mit der Patentanmeldung seine Idee veröffentlicht und diese für Dritte nachvollziehbar wird. Es empfiehlt sich häufig, einen Kern, ein Betriebsgeheimnis, und damit aus strategischer Sicht einen USP, zu behalten. Das spielt gerade auch auf internationaler Ebene eine wichtige Rolle, da nicht in jedem Land IP-Rechte durchsetzbar sind.

VC Magazin: In welchen Branchen sind IP-Rechte besonders wichtig?

Siebert: Als wir vor mehr als 25 Jahren anfingen, haben viele etablierte Berufskollegen skeptisch auf uns geschaut und an dem neuen Rechtsbereich für die Digitalisierung gezweifelt. Heute ist absolut jeder Bereich davon betroffen, und damit werden die Themen
Technikrecht und IP für alle Lebensbereiche relevant.

Mahr: Biotech ist die klassische Branche für IP-Rechte, aber auch bei allen anderen komplexen Zukunftstechnologien mit Wissenschaftsbezug gewinnt IP-Schutz immer weiter an Bedeutung. Ein Marktvorteil ist bei diesen sich schnell entwickelnden Technologien entscheidend und liegt häufig im Schutz der IP-Rechte. Hier möchten wir unseren Mandanten beratend zur Seite stehen, und der Zusammenschluss mit dem Team im Technikrecht ist dahin gehend für uns als Venture Capital-Kanzlei eine enorme Bereicherung – denn insbesondere durch die erweiterte Expertise bei der Beratung für Zukunftstechnologien können wir als Anwälte unseren Mandanten damit neben der Beratung im Venture Capital einen weiteren großen Mehrwert liefern.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.

Über die Interviewpartner:

Benedikt Mahr ist Rechtsanwalt und Steuerberater mit Schwerpunkt auf Venture Capital und M&A. Er ist seit Januar 2025 Managing Partner bei WIPIT und war zuvor für Technologiefirmen und Wirtschaftskanzleien (zuletzt acht Jahre bei Weitnauer) tätig.

Dr. Lars Siebert ist seit 1999 Rechtsanwalt. Sein Fokus liegt auf dem Technikrecht, IP, IT und Künstlicher Intelligenz. Er war 25 Jahre für die Kanzlei BMT tätig und ist seit Januar 2025 Managing Partner bei WIPIT.