Deutschland ist um ein Expertengremium reicher: Heute trifft sich der Digitalrat zum ersten Mal mit Vertretern des Bundeskabinetts. Das Komitee ist eine Antwort der Bundesregierung auf die Herausforderungen der Digitalisierung. Laut Regierung ist der Digitalrat mit Mitgliedern aus „Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft“ besetzt. Gründer und Kenner der Start-up-Szene sind mit dabei.
„Wir werden als Bundesregierung auch Beratung durch einen Digitalrat bekommen“, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel Ende Juli in der 23. Sommerpressekonferenz ihrer Amtszeit. Besser spät als nie, mag der ein oder andere gedacht haben. Deutschland fehlt noch immer eine schlüssige Strategie, um den Herausforderungen der Digitalisierung zu begegnen. In verschiedenen Feldern hapert es: Künstliche Intelligenz, IT-Sicherheit oder Investitionen in Start-ups – die Bundesrepublik hinkt im internationalen Vergleich hinterher. Nicht einmal in Sachen Breitbandausbau oder Mobilfunknetz sind bisher signifikante Erfolge erzielt worden. Geht es nach der Kanzlerin, wird sich das künftig ändern. In ihrem aktuellen Video-Podcast verweist Merkel auf die Chancen der Digitalisierung und den Willen der Bundesregierung, alle Menschen an diesen teilhaben zu lassen. Helfen soll Fachkenntnis aus der Praxis: „Genau das soll der Digitalrat leisten, den Wissenstransfer von den Experten hin in die Politik, damit wir dann richtig handeln können.“
Impulse für die richtige Digitalstrategie geben
Zehn Mitglieder hat der Digitalrat. Leiterin ist Katrin Suder, ehemalige Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium. Unter Ursula von der Leyen war Suder im Ministerium unter anderem zuständig für den Bereich Cyber- und Informationstechnik. Heute ist sie Mitglied im Kuratorium der Hertie School of Governance. Sechs Männer und drei weitere Frauen wollen gemeinsam mit der früheren Staatssekretärin entscheidende Impulse für eine Digitalstrategie geben. Expertise aus Wissenschaft und Forschung kommt von Physiker Andreas Weigend, Peter Parycek, Leiter des Kompetenzzentrums Öffentliche IT am Fraunhofer Fokus Institut, Viktor Mayer-Schönberger, Professor für Internet Governance and Regulation am Oxford Internet Institute, und Urs Gasser, Direktor des Berkman Klein Center for Internet & Society an der Harvard University und Professor an der Harvard Law School. Weibliche Unterstützung in diesem Bereich bringen Beth Noveck, Rechtsprofessorin an der New York University, und Ada Pellert, Rektorin an der Fernuniversität in Hagen.
Unternehmerseite ist im Digitalrat vertreten
Immerhin drei Vertreter des Digitalrates kommen von Unternehmerseite – es ist zu hoffen, dass sie Aspekte der Digitalisierung abseits von rechtlichen Regulierungen und gesetzlichen Vorgaben einbringen. Chris Boos hat 1995 selbst gegründet: Die Firma Arago ist auf künstliche Intelligenz spezialisiert. Für die Beteiligungsgesellschaft KKR war das Start-up das erste europäische Investment. Inzwischen investiert Boos zudem als Business Angel in Start-ups. Mediziner und Informatiker Ijad Madisch hat am Massachusetts General Hospital ResearchGate ins Leben gerufen – das Online-Netzwerk für Wissenschaftler hat im vergangenen Jahr 52,6 Mio. USD eingesammelt. Heute verbindet die Firma mehr als 13 Millionen Nutzer, die auf der Plattform Forschungsergebnisse teilen. Frau im Bunde der Unternehmer ist Stefanie Kaiser. Sie ist Geschäftsführerin des Company Builders und Venture Capitalitsts Heartbeat Labs. Kaiser hat zudem mehrere eigene Start-ups gegründet und internationale Teams in jungen Unternehmen geführt. Auch Heartbeat Labs wächst kontinuierlich: Anfang des Monats hat die Plattform ihr Portfolio um drei Unternehmen erweitert.
„Unbequeme Fragen stellen“
Merkel fordert den Digitalrat in ihrem Podcast auf, nicht nur mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Vielmehr brauche die Bundesregierung „Menschen, die uns antreiben, die uns unbequeme Fragen stellen und die darauf Wert legen, dass das, was mir miteinander diskutieren, dann auch in die Praxis umgesetzt wird.“ Der Wirtschaftsrat der CDU e.V. unterstützt die Entscheidung für das Gremium. Generalsekretär Wolfgang Steiger: „Als seinerzeit der Bundestag eine Enquete-Kommission zur Digitalisierung eingesetzt hat, fanden sich darunter nur Bedenkenträger, keine Visionäre, keine Unternehmer, keine Anwender.“ Dass diese Fehler im neuen Gremium nicht wiederholt worden seien, begrüße der Rat ausdrücklich.
Das VentureCapital Magazin stellt in der nächsten Printausgabe die Agenda und Zielsetzung des Digitalrates vor und berichtet von der ersten Sitzung mit den Mitgliedern des Bundeskabinetts. Die Ausgabe erscheint am Freitag, 31.08.2018, und ist auch online als E-Paper erhältlich.